Juristische Recherche


Speaking of Law – Sprechen Sie juristisch?

Im juristischen Studium und der juristischen Praxis findet eine eigene juristische Fachsprache Verwendung, die auf viele Menschen etwas förmlich und verkürzt wirken kann. So verwenden Jurist*innen z.B. viele Abkürzungen. In juristischen Texten und direkter Rede werden häufig Paragraphen und Artikel zitiert. Zwar übernehmen Datenbanken, Suchmaschinen und Literaturverwaltungsprogramme (wie Jurism) heute vielfach Aufgaben bei der juristischen Recherche (Stichwort Künstliche Intelligenz). Trotzdem ist es für das Verständnis und den effizienten Einsatz dieser Programme hilfreich und notwendig, ein grundlegendes Verständnis für juristische Textsorten und Begriffe zu behalten.

Juristische Quellen

Bei den juristischen Textsorten werden grundsätzlich drei große Gebiete unterschieden:

  • Rechtsnormen (Gesetze, Verordnungen, etc.)
  • Gerichtsentscheidungen (Judikatur)
  • Fachliteratur (Zeitschriften, Sammelwerke, Monografien, Lehrbücher, Kommentare)

Viele Datenbanken integrieren mittlerweile Nachrichtenmeldungen und niederschwellige Zusammenfassungen in ihre Seiten, die sich gut eignen, um sich mit der juristischen Recherche, oder auch mit einem neuen juristischen Fachgebiet vertraut zu machen: z.B. Lexis Briefings, rida Zitiermaster, beck-aktuell, JusGuide (RDB).

Abkürzungen

Juristische Texte sind voller Abkürzungen, da sie oft an einem System von Verweisen orientiert sind: Einerseits werden lange juristische Texte traditionell schon immer durch Kapitel und Absätze in kleinere Einheiten unterteilt (Paragraphen, Artikel). Andererseits gibt es je nach Textsorte eine eindeutige Kennung, in heutiger Sprache einen Identifier.

Beispiele für solche Identifier:

  • Geschäftszahl bei Gerichtsurteilen: z.B. 8 ObS 10/10v
  • RIS-Satz: z.B. RS0124720.
  • FINDOK Nummer: z.B. 68602.176
  • CELEX-Nummer: z.B. 32000L0060
  • Richtlinien-Kennzahl der EU: z.B. Richtlinie (EU) 2016/943
  • Sammlungsnummer in einer Entscheidungssammlung: z.B. SZ 56/66.

Eine Fundstelle wäre aber zum Beispiel auch die Signatur, unter der ein Werk in der Bibliothek steht, oder schlicht und einfach die Seitenzahl innerhalb des Buches.

Es ist nicht erforderlich, die Hintergründe solcher Abkürzungen und Verweissysteme immer zu kennen; aber es kann bei der Recherche sehr hilfreich sein, eine gewisse Ahnung davon zu entwickeln, in welche Richtung, Textsorte oder Datenbank die Suche führen könnte.

Eine Übersicht über Fundstellen und Abkürzungen mit einfachen Erklärungen findest du auf der Seite zum wissenschaftlichen Arbeiten: Entscheidungssuche, Rechtsnormsuche, Zitieren.

Kommentare

Es gibt in jedem juristischen Fachgebiet ein oder zwei Kommentare, die besonders hohe Anerkennung genießen und als Maßstab für alle Fragen dieses Faches gelten. Egal ob im Zivilrecht (Rummel, Klang, Schwimann), im Europarecht (Streinz), oder im Verfassungsrecht (Rill/Schäffer und Korinek/Holoubek) – es gibt in jedem Fach zumindest einen einschlägigen Kommentar, benannt meist nach Autor*in/Herausgebenden, den man kennen und heranziehen sollte, um sich dem Fach anzunähern.

Zeitschriften

Die relevante aktuelle juristische Literatur erscheint in Aufsätzen in Zeitschriften (Journals). Auch hier gibt es für jedes Rechtsgebiet einige Zeitschriften, die in der jeweiligen Fach-Community einen hohen Status genießen und deshalb das Zentrum der Meinungsbildung sind (z.B. die Juristischen Blätter im Zivilrecht). Fachübergreifende Zeitschriften wie die ÖJZ (die Österreichische Jurist:innenzeitung), ecolex und NJW (Neue juristische Wochenschrift) bieten einen Querschnitt durch die Rechtsfächer und verhandeln aktuelle Rechtsprechung in Entscheidungsbesprechungen. In Österreich wie Deutschland werden diese Entscheidungsbesprechungen von Jurist*innen aus der Praxis und häufig auch von Richter*innen geschrieben und sind daher sehr relevante Informationsquellen. Juristische Zeitschriften beinhalten auch Branchen-News und Stellenanzeigen.

Loseblattsammlungen

Einige Kommentare erscheinen als Loseblattsammlungen: das sind Mappen mit lose eingelegten Kapiteln, die regelmäßig ergänzt oder ausgetauscht werden. Wichtig ist es hier, den Stand der Kommentierung anzugeben.

Parlament/Gesetze im Entwurfsstadium

Gesetze im Entwurfsstadium finden sich auf der Webseite des Österreichischen Parlaments. Hier gibt es auch Einsicht in die sogenannten Gesetzesmaterialien: Erläuterungen, Ausschussberichte und Stellungnahmen von Verbänden können Aufschluss darüber geben, wie ein Gesetz zustanden gekommen ist und wie die einzelnen Bestimmungen von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. In den historischen digitalen Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek im Internet (ANNO und ALEX) findest du solche Berichte auch in älteren Tageszeitungen und Juristischen Blättern.

Deutsches Recht

Es gibt einige Rechtsfächer, die inhaltlich so stark am deutschen Recht orientiert sind, dass auch in den österreichischen Rechtswissenschaften deutsche Fachwerke und Kommentare herangezogen werden. Dies hat meistens historische Gründe, man sagt dann auch „die deutsche Rechtslage schlägt zu uns durch“. Insbesondere betrifft das einige Bereiche des Zivilrechts, etwa das Familienrecht (Eherecht), das Urheberrecht und verschiedene Teile des Unternehmensrechts (UGB-HGB), sowie das Steuerrecht.

Für die Recherche in diesen zivilrechtlichen Materien sind die einschlägigen deutschen Rechtsdatenbanken (beck-online, JURIS) besonderes relevant. Das ist auch der Grund dafür, dass in vielen Bibliotheken bei manchen Rechtsgebieten bemerkenswert viele deutsche Bücher stehen.

Europa

Ein weiterer Bereich in dem generell viel Rechtsvergleich stattfindet und in dem daher auch Rechtsquellen und Literatur aus dem Ausland eine besondere Rolle spielen sind die Materien des EU-Rechts und Völkerrechts, sowie des internationalen Steuerrechts. Die WU Bibliothek bietet Zugang zu einigen englischsprachigen Datenbanken, die interessante Inhalte zu diesen Themen haben, zum Beispiel HeinOnline, Westlaw oder Kluwer Law.

Die Gesetzesdokumente der europäischen Union finden sich in der Datenbank Eurlex, die amtlich veröffentlichte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf CURIA. Wer im Europarecht recherchiert, sollte einmal von ihnen gehört haben.

Du hast noch Fragen?

Wenn du noch Hilfe bei der Navigation durch den juristischen Dschungel brauchst, kannst du dich auch gerne an das Team des juristischen Fachreferats wenden: Vereinbare einen persönlichen Beratungstermin oder nimm an einem Kurs zur Recherche teil.